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Gründe, sich als Allgemeinmediziner für eine eigene Praxis zu entscheiden, gibt es viele. Arztpraxen sind mehr oder weniger von der Konjunktur unabhängig. Außerdem lässt die demografische Entwicklung die Nachfrage nach ärztlichen Dienstleistungen in Zukunft tendenziell steigen.
Hat man sich also dazu entschlossen, in die Selbständigkeit zu gehen, bleibt allerdings noch immer die Gretchenfrage: Neue Praxis gründen oder eine bestehende Praxis übernehmen? Wir möchten in diesem Beitrag einige wichtige Punkte, die Sie bei der Entscheidung unterstützen können.
Vorteile bei der Übernahme einer Hausarztpraxis
Der Traum von einer eigenen Praxis - ganz verschwunden ist dieser noch nicht aus den Köpfen der heranwachsenden Hausärzte und Hausärztinnen. Zwar ist den kommenden Generationen der Wunsch nach Flexibilität und Freiheit sowie einer ausgewogenen Work-Life-Balance wichtig, sodass sie sich auch vermehrt vorstellen können, eher in einem Anstellungsverhältnis zu arbeiten, der Besitz einer eigenen Praxis ist jedoch stets in vielen Köpfen der kommenden Hausärzte verankert. Damit Allgemeinmediziner nicht bei null anfangen müssen, bietet es sich an, als Nachfolger eine schon bestehende Praxis zu übernehmen. Welche Vorteile bringt die Praxisübernahme als Nachfolger mit sich?
1. Vorhandene Praxisausstattung als Hausarzt-Nachfolger übernehmen
Sie haben den Weg des Studiums und der Ausbildung zum Allgemeinmediziner geschafft und stehen jetzt vor der Wahl: Gründe ich eine neue Praxis? Gehe ich eine Anstellung ein und arbeite in einer Praxis mit? Oder wähle ich direkt eine Praxis mit der Aussicht auf eine Nachfolge? Erstere Entscheidung zieht automatische eine hohe Planung mit sich, u. a.:
- die Suche nach Praxisräumen,
- die Organisation von Praxisinventar (von Möbeln bis zu
medizinischen Geräten), - Einstellung von Praxispersonal,
- Versicherungen, Kredite, Kenntnisse zu Rechtsformen.
Ein kleiner Ausschnitt der zahlreichen Maßnahmen, die für eine Praxisneugründung nötig sind. Einfacher ist es da, eine Praxis zu übernehmen, die schon vollständig ausgestattet ist.
So kommen Nachfolger in die optimale Position, schon über eine Grundausstattung zu Verfügungen und diese nach den individuellen Vorstellungen auszubauen und zu erweitern. Dadurch sparen Nachfolger deutlich Zeit und können ihrer Tätigkeit direkt nachgehen.
2. Bestehenden Patientenstamm bei Hausarztpraxis-Übernahme übernehmen führt zu Planungssicherheit
Bei einer Neugründung stehen Sie erst einmal vor der Mammutaufgabe, Ihren Namen einen Ruf zumachen und sich einen eigenen Patientenstamm aufzubauen. So dauert es am Anfang, je nach Lage der Praxis, bis Sie ausreichend Patienten zu Ihrer Praxis zählen können. Bei einer Übernahme kann man auf den bestehenden Patientenstamm sowie die Daten seines Vorgängers zurückgreifen – das bietet Planungssicherheit.
Zahlen und Ergebnisse lassen so eine finanzielle Prognose für die Zukunft zu. Ängste, die mit dem Start einer eigenen Praxis einhergehen, können so schon mal deutlich reduziert werden.
3. Kassenärztliche Zulassung wird übernommen
Zum anderen benötigt man zur Abrechnung von gesetzlich versicherten Patienten eine Kassenärztliche Zulassung. Allerdings sind viele Gebiete aufgrund einer bereits hohen Anzahl von Ärzten gesperrt - die Übernahme einer bestehenden Praxis mit Zulassung verschafft einem Zutritt. Die Übernahme einer Praxis ermöglicht damit auch die Niederlassung in Gebieten, in denen eine Neugründung durch Zulassungsbeschränkung ansonsten nicht möglich wäre.
4. Sanfte Übergangsphase: Erfahrung mit Praxisbesitzer teilen
Oftmals haben Sie als potenzieller Nachfolger die Möglichkeit, Ihre zukünftige Praxis zunächst kennenzulernen. Unsere Erfahrung zeigt, dass oftmals circa zwei Jahre für die Einarbeitung angedacht werden. So startet der potenzielle Nachfolger bereits in der Praxis und wird vom Praxisinhaber in die Praxis eingeführt. Die Patienten haben damit die Möglichkeit, einen sanften Übergang zu erleben und ihren neuen Arzt kennenzulernen, ohne dass dieser von heute auf morgen den vorher behandelnden Arzt ersetzt.
Durch die Einarbeitungsphase lernt der Nachfolger außerdem die Abläufe in der Praxis kennen, kann einfacher eine Bindung zum Praxispersonal aufbauen und sich gemeinsam mit dem Praxisinhaber um die rechtlichen und bürokratischen Themen kümmern (bspw. Mietverträge, Verträge mit Dienstleistern, Versicherungen etc.)
Job-Sharing vor Praxisübernahme
Eine praktische Art und Weise, den Übergang zwischen dem bisher praktizierenden Arzt und dem neuen Arzt zu erleichtern, stellt das Jobsharing dar. Hierbei haben beide Ärzte die Möglichkeit, den Arztsitz gemeinsam zu füllen. Sie teilen sich Personal, Geräte und auch die Räumlichkeiten. Eine Möglichkeit ist dabei, dass der Praxisinhaber den anderen Arzt anstellt. Die zweite Variante wäre, dass beide Ärzte direkt als gleichberechtigte Partner in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft praktizieren.
Wichtig zu beachten ist, dass die Praxis trotz zweier Ärzte nicht mehr Leistungen anbieten dürfen (höchstens drei Prozent). Der Wert richtet sich nach den Abrechnungen der Praxis aus der Vergangenheit.
5. Gewinne sind einsehbar und einkalkulierbar
Die Praxis hat sozusagen Erfahrung: Sie können die bisherige wirtschaftliche Lage der Praxis nachvollziehen und wissen, mit welchen Einnahmen Sie rechnen können. So haben Sie von Beginn an die Sicherheit eines geregelten Einkommens. Während der gründende Arzt zunächst den Markt analysieren und Patienten für sich gewinnen muss, ist dies durch den schon vorhandenen Patientenstamm beim Nachfolger schon abgeschlossen.
6. Eingespieltes Team übernehmen
Stellenausschreibungen formulieren, Bewerbungsunterlagen sichten und Bewerbungsgespräch führen - all das fällt für Sie als Nachfolger zu Beginn erst einmal weg. Sie kommen in eine Praxis, in der das Praxisteam im besten Fall schon sehr gut eingespielt ist. So können Sie sich leichter einarbeiten lassen und wissen, dass die Grundstrukturen und Abläufe im Hintergrund funktionieren.
Vorteile der Neugründung einer Hausarztpraxis
Während viele der Vorteile, die sich aus einer Übernahme einer Praxis ergeben, bei einer Neugründung wegfallen, kann es trotzdem gute Gründe geben eine Praxis zu eröffnen.
Praxisaustattung und Team kann vollständig nach eigenen Vorstellungen gewählt werden
Natürlich hat jeder Arzt auch seine eigenen Vorstellungen, wie die eigene Praxis aussehen soll. Und diese Vorstellungen lassen sich am besten verwirklichen, wenn Sie die Praxis vollständig selbst aufbauen.
So haben Sie die volle Kontrolle: Raumgestaltung, Geräteauswahl, Labortechnik und Licht- und Farbkonzepte, Auswahl von Mitarbeitern und Arbeitskollegen.
Wettbewerbsvorteile durch geringere Konkurrenz in gewählter Regionen
Bei der Neugründung sind sie hinsichtlich der Standortwahl frei (insofern Sie die kassenärztliche Zulassung erhalten). Dies bietet die Möglichkeit, durch eine geschickte Analyse eine Region für die Praxis zu wählen, in welche Sie besonders schnell einen großen Patientenstamm aufzubauen können.
Preislich nicht viel unattraktiver
Auch wenn der Preis für die Praxis bei einer Neugründung hoch erscheint, relativiert sich der Preis wenn man betrachtet, dass man eine nagelneue Praxis hat, die viele Jahre und Jahrzehnte betrieben werden kann.
Auch wird bei einer Praxisübernahme oft ein Aufschlag für "immmaterielle Güter" fällig - Patientenstamm, Kooperationen und die "Markenbekanntheit" einer Praxis haben auch einen Wert. Diese Werte sind bei einer Neugründung nicht vorhanden und müssen dementsprechend auch nicht gezahlt werden.
Finanzierung
Bei einer Gründung oder Übernahme muss man sich auch mit dem Gedanken anfreunden, von nun an ein selbstständiger Unternehmer zu sein. Um Fähigkeiten in Personalführung, Buchhaltung und Abrechnung kommt man daher nicht herum. Viele junge Allgemeinmediziner sind allerdings gerade darauf eher unzureichend vorbereitet. Daher sollte man sich laut Axel Witte schon im vorhinein Gedanken über einen Businessplan machen und sich überlegen, wie man seine Praxis aufbauen möchte. Daher empfiehlt er Ärzten, sich an einen Berater, wie ihn zum Beispiel die Kassenärztlichen Vereinigungen anbieten, zu wenden oder Tipps von anderen Ärzten einzuholen. Alternativ kann man sich das nötige Wissen aber auch mit entsprechender Literatur selbst aneignen oder Seminare, wie die von der Apo-Bank, besuchen.
Je nach Fachgebiet variiert die in eine Arztpraxis zu investierende Summe. Dies liegt hauptsächlich an der Anschaffung medizinischen Equipments. Ein Allgemeinmediziner muss in diesem Fall nicht so tief in die Tasche greifen wie zum Beispiel ein Radiologe. PraktischArzt.de hat anhand eines Fallbeispiels der apoBank die Kosten einer Praxisgründung denen einer Übernahme gegenübergestellt. Die Zahlen beziehen sich dabei auf einen Allgemeinmediziner.
Übernahme oder Neugründung: Fallbeispiel einer Praxis für Allgemeinmedizin
Hausarzt | Neugründung | Übernahme |
---|---|---|
Ideeller Wert | 55.297 € | |
Materieller Wert (Substanzwert) | 21.154 € | |
Übernahmepreis | 76.451 € | |
Modernisierung/Umbau | 6.359 € | 6.767 € |
Geräte, Einrichtung, Inventar | 105.397 € | 31.743 € |
Gesamtinvestition | 111.756 € | 114.961 € |
Betriebsmittelkredit | 35.139 € | 34.822 € |
Finanzierungsvolumen | 146.895 € | 149.783 € |
Dass die Finanzierung eine große Hemmschwelle zur Eröffnung einer eigenen Praxis darstellt, zeigt ein Interview mit Pascal Nohl-Deryk von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland:
„Was mit Sicherheit Angst macht, das zeigen ja auch Befragungen, ist, dass eine hohe finanzielle Sorge bei Medizinstudierenden gegenüber der Niederlassung besteht. Dass man Sorge davor hat, dass man den Kredit nicht bezahlen kann."
Im Durchschnitt muss ein Allgemeinmediziner bei der Neugründung einer Hausarztpraxis mit Kosten von etwa 112.000 Euro rechnen. Bei einer Übernahme muss man im Durchschnitt etwa 115.000 Euro in Technik und Modernisierung stecken. Gerade junge Ärzte haben jedoch in der Regel nicht die finanziellen Mittel, dies selbst zu stemmen. Daher ist für die meisten Ärzte eine Kreditfinanzierung die gängigste Art, eine Praxis zu finanzieren. Die Laufzeit eines solchen Praxiskredits hängt dabei mit den zu erwartenden Einnahmen ab. Von den Banken wird genau geprüft, ob sich der anzunehmende Ertrag mit dem Praxiskredit rechnet. Dazu werden unter anderem auch die Vermögensverhältnisse des Antragstellers geprüft. Grundlegend ist jedoch die betriebswirtschaftliche Sicherheit, die durch die angebotene Leistung erbracht wird. Die Praxisfinanzierung sollte sich sowohl an der beruflichen als auch an der privaten Situation orientieren, um Laufzeit und Sollzinsbindung den persönlichen Bedürfnissen anzupassen. Das Kreditlimit sollte dabei jedoch auch hoch genug angesetzt sein, um unter Umständen einen Betriebsmittelkredit auszugleichen oder eine Modernisierung sowie weiteres Equipment zu finanzieren.
Besonderheiten in der Finanzierung bei Praxisübernahme
Damit Sie bei der Übernahme eine perspektivisch sinnvolle Investition tätigen, ist der erste Schritt die Praxiswertermittlung. Hier wird festgestellt, welchen materiellen Wert die Praxis besitzt - also das gesamte Inventar - sowie auch der Firmenwert.
Dieser berücksichtigt Dinge, die nicht direkt bilanzierbar sind, wie bspw. die zukünftigen Ertragswerte der Praxis. Auch Eigenschaften wie die Lage der Praxis, der Ruf und die angestellten Mitarbeiter können in die Berechnung des Werts der Praxis miteinfließen.
Daneben liegt die Entscheidung, ob Sie als Nachfolger direkt in der Praxis eingesetzt werden, nicht alleine beim Praxisinhaber. Zunächst wird vom zuständigen Zulassungsausschuss überprüft, ob eine Weiterführung der Praxis an der Stelle weiterhin sinnvoll ist. Fällt diese Entscheidung positiv aus, so läuft die Ausschreibung oftmals über die zuständig Kassenärztliche Vereinigung. In die Entscheidung fließt u. a.:
- die Dauer der fachärztlichen Tätigkeit,
- das Alter, als Sie Ihre Approbation erhalten haben,
- Ihre berufliche Einstellung und Ihre Fähigkeiten,
- eventuelle Wartezeiten und Eintragungen auf Wartelisten einer KV, in der Sie eine Niederlassung anstreben.
Finanzielle Förderungen für selbstständige Allgemeinmediziner
Fördermittel können sowohl vom Bund oder den Ländern, als auch der Europäischen Union akquiriert werden. Diese laufen allerdings über die eigene Hausbank, da sie die Entscheidung zur Finanzierung einer Praxis trägt und auch umsetzt. Die Bank kann allerdings öffentliche Refinanzierungen durch die KfW oder die jeweilige Landesförderbank nutzen. So kann die Bank das eigene Risiko reduzieren und dem Kunden eine zinsgünstigere Finanzierung anbieten.
Da es gerade Anfangs zu Schwierigkeiten kommen kann, welche die Finanzen belasten, beinhalten manche Darlehensprogramme eine tilgungsfreie Anlaufzeit. In dieser Phase müssen lediglich die Zinsen gezahlt werden, während das bereitgestellte Kapital komplett zur Verfügung steht. Nach dem tilgungsfreien Zeitraum muss das Darlehen schließlich in festen Raten zurückgezahlt werden.
Tipps von Axel Witte von der RST Steuerberatungsgesellschaft
Axel Witte von der RST Steuerberatungsgesellschaft gab im Gespräch mit der Allianz für Ärzte Tipps für Mediziner, die sich selbständig machen möchten. So sind seiner Erfahung nach Neugründungen in Großstädten oft schwieriger als in ländlichen Regionen, in denen Ärzte fehlen Diese Gemeinden nehmen neue Ärzte nicht nur mit großer Freude auf. Manchmal werden sogar mietfreie Wohnungen oder komplett eingerichtete Praxen zur Verfügung gestellt. In solchen Fällen kann es womöglich günstiger sein, eine neue Praxis zu eröffnen statt eine Praxis zu übernehmen. Allerdings ist dies nicht immer der Fall:
„Je nach ärztlicher Fachrichtung und Standort der Praxis kommen für Renovierung, Möblierung und medizinische Geräte oft ähnlich hohe Beträge zusammen wie für den Kauf einer Praxis, die bereits voll ausgestattet ist.“
so Witte. Unabhängig vom Standort gilt aber:
„Wer eine Praxis neu gründen will, muss sich mit der KV abstimmen. Vor allem in Gebieten, in denen bereits viele Ärzte tätig sind, vergibt die KV gerade für Fachärzte häufig keine neuen Zulassungen.“
Ob Stadt oder Land ist dabei natürlich auch eine Frage des persönlichen Geschmacks. Wenn man sich auf dem Land ohnehin wohl fühlt, wird man dort als Arzt auch gut arbeiten können. Da es dort meist weniger Ärzte als in der Stadt gibt, gibt es auch mehr Patienten pro Praxis. Dies erhöht den Umsatz, aber natürlich auch die Arbeitsbelastung. Kosten für Personal, Miete und Lebenshaltungskosten sind auf dem Land dagegen meist deutlich niedriger als in Großstädten wie Hamburg oder München. Wer in der Stadt arbeiten möchte, dem rät Witte eine bestehende Praxis zu übernehmen:
„Selbst wenn man noch einen Ort findet, an dem man eine kassenärztliche Zulassung für eine neue Praxis bekommen würde, ist der Amortisationszeitraum in der Stadt sehr lang.“
Bis man als Neuling in der Stadt also genauso viel verdient wie ein alteingesessener Mediziner, vergeht viel mehr Zeit als auf dem Land.
Mehr über die Vorteile und Nachteile von Land- und Stadtpraxen finden Sie hier:
Gründe für eine Hausarztpraxis auf dem Land
Gründe für eine Hausarztpraxis in der Stadt
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