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Entschließt man sich als Allgemeinmediziner dazu, sich selbstständig zu machen, kommt neben der Frage ob Neugründung oder Übernahmen, noch die Entscheidung ob Gemeinschafts- oder Einzelpraxis hinzu. Beide Modelle haben dabei ihre Vor- und Nachteile.

Was ist eine Gemeinschaftspraxis?
Eine Berufsausübungsgemeinschaft, wie die Gemeinschaftspraxis im Juristendeutsch genannt wird, bezeichnet die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit mehrerer zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Leistungserbringer an einem gemeinsamen Vertragsarztsitz.
Diese Form der Praxis ist besonders für Ärzte, die vorher im Krankenhaus gearbeitet haben, empfehlenswert. Wer die Arbeit im Team gewohnt ist und mag, sollte sich vorher genau überlegen, ob man in einer Einzelpraxis zurechtkäme. Auch wer den unmittelbaren und regemäßigen Rückhalt oder das Feedback eines Teams zu schätzen weiß, ist in einer Gemeinschaftspraxis wahrscheinlich gut aufgehoben.
Welche Konsquenzen hat eine Gemeinschaftspraxis?
Entscheidet man sich für die Bildung einer Gemeinschaftspraxis, empfiehlt es sich, zur Erstellung eines Gemeinschaftspraxisvertrags, den Rat von Anwalt und Steuerberater hinzuzuziehen.
Zwar kann der kostenlose Download von Musterverträge oder die Übernahme eines Vorgängervertrages Kosten sparen, bei Problemen allerdings langfristig auch zu Mehrkosten führen. In einer Gemeinschaftspraxis arbeiten Mediziner zwar weiterhin eigenverantwortlich und unabhängig, treten aber nach außen unter einem gemeinsamen Praxisnamen auf. Sie rechnen gemeinschaftlich mit der Kassenärztlichen Vereinigung unter einer Betriebsstättennummer ab und haften auch gemeinsam.
Gemeinsame Verwaltung bietet Vorteile für Allgemeinmediziner
Ein großer Vorteil der Gemeinschaftspraxis ist die gemeinsame Verwaltung.
- So muss beispielsweise nur eine Abrechnung für die gesamte Praxis erstellt werden. Auch gemeinsames Personal kann wirtschaftlicher eingesetzt werden.
- Während ein großer Personalstamm in einer Einzelpraxis finanzieller Unsinn ist, kann zu wenig Personal ebenso fatal sein. Eine Gemeinschaftspraxis kann mehr Personal einstellen als eine Einzelpraxis, sodass auch personelle Engpässe, zum Beispiel bei Krankheit, überbrückt werden können.
- Durch die gemeinsame Nutzung von Equipment und Räumen werden diese besser ausgelastet, was wirtschaftlicher ist. Teure Anschaffungen amortisieren sich so schneller als in einer Einzelpraxis.
- Bei Krankheit kann der oder die Kollegen den Praxisbetrieb weiterhin aufrechterhalten, sodass man nicht unter Druck steht, die Praxis möglichst schnell wieder zu öffnen.
- Auch ist es so in einer Gemeinschaftspraxis einfacher, an Fortbildungen teilzunehmen. Ärzte in einer Einzelpraxis nehmen laut einem Artikel von meinepraxis.de die Möglichkeit zur Fortbildung seltener wahr als Ärzte einer Gemeinschaftspraxis. Um dies zu organisieren müsste die Praxis in dieser Zeit geschlossen oder eine Vertretung engagiert werden, was die Bereitschaft zu Fortbildungen hemmt. Dabei sind Fortbildungen nicht nur wichtig, um auf dem neusten Stand zu bleiben, sondern auch, um sich neue Fähigkeiten anzueignen. Der Arzt muss sich als Unternehmer in einer Praxis schließlich auch den Bedürfnissen des „Marktes“ und der Patienten richten.
Mehr Leistung für Allgemeinmediziner
Allgemein kann man sagen, dass die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis vor allem in einem Mehr an Leistung zu finden sind.
Die Arbeit kann auf mehrere Schultern verteilt werden und die Praxis kann für die Patienten beispielsweise längere Öffnungszeiten oder ein erweitertes Leistungsangebot anbieten.
Obwohl eine Gemeinschaftspraxis besonders unter den Gesichtspunkten von Kosten- und Investitionen viele Vorteile bietet, sollte die Entscheidung gut überlegt sein. Besonders in Praxen mit mehreren Partnern müssen sich alle Beteiligten über Ziele, Leistungsspektrum und Organisationsstruktur einig sein, damit die Kooperation funktioniert.
Eine gewisse Kompromissbereitschaft ist daher in einer solchen Gemeinschaft unerlässlich – oft geht dies mit dem Verzicht auf eigene unternehmerische Ambitionen und Freiheiten einher. Konflikte können vor allem dann auftreten, wenn Ärzte die eigene Individualität und Durchsetzung von Ideen gefährdet sehen.
Bei der Entscheidung zu einer Gemeinschaftspraxis sollten daher nicht nur die fachlichen Qualitäten passen, sondern auch die persönlichen. Man muss jemanden finden, mit dem man gut zusammenarbeiten kann. Wenn es menschlich nicht passt, kann nicht nur die Gemeinschaft selbst dadurch behindert werden, auch das betriebswirtschaftliche Ergebnis wird langfristig nicht überzeugend sein. In einer Einzelpraxis kann man seine Praxis leiten und einrichten wie man möchte. Es bieten sich in diesem Fall genug Freiräume für Flexibilität und um betriebswirtschaftliche Entscheidungen zeitnah umzusetzen.
Einzelpraxis in der Allgemeinmedizin noch immer relavant
Während in Deutschland immer mehr Medizinische Versorgungs- oder Ärztezentren entstehen, könnte man den Eindruck bekommen, dass die klassische Einzelpraxis ein Auslaufmodell ist.
Dr. med. Dagmar Schneider, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin der Bayerischen Landesärztekammer sagte in einem Gespräch (2016) mit Operation Karriere:
„Die Einzelpraxis ist nicht out. Hausärzte werden gebraucht, 90 Prozent aller Bundesbürger haben einen Hausarzt und schätzen ihn sehr.“
Das Durchschnittsalter von Hausärzten liegt in Deutschland bei 54 Jahren, viele Praxen werden in den nächsten zehn Jahren frei - das ist sowohl Chance als auch Bedrohung. Auch sieht sie den Arzt in der Einzelpraxis nicht als Einzelkämpfer, da heute so gut wie immer eine Vernetzung zu anderen Fachbereichen wie der Palliativmedizin oder zu Physio- und Ergotherapie besteht.
Einzelpraxis ist zudem noch immer die beliebteste Art für Ärzte, in die Selbstständigkeit zu gehen. Organisatorisch und medizinisch kann alles nach eigenen Wünschen gestaltet werden, man muss sich nach niemandem richten.
Kooperationen mit Spezialisten oder mit einer Praxisgemeinschaft sorgen auch dafür, dass man nicht ganz alleine dasteht, wenn man Hilfe oder eine zweite Meinung benötigt.
Im Gegensatz zur Gemeinschaftspraxis behalten die Ärzte in einer Praxisgemeinschaft ihre Eigenständigkeit. Sie betreuen jeweils einen eigenen Patientenstamm und werden bei der KV auch getrennt abgerechnet.
Generell ist eine Einzelpraxis sehr kostentransparent und birgt keine unüberschaubaren Haftungsprobleme, die sich aus dem Betreiben einer Kooperation schnell ergeben können.
Allgemeinmediziner in der Einzelpraxis müssen sich vernetzen
Auch für Dr. Maike Döbbelin aus Berlin ist die Einzelpraxis das bevorzugte Modell, wie sie im Gespräch mit der Ärzte Zeitung eräutert.
Zwar sei es von Anfang an klar gewesen, dass mit der Niederlassung in einer Einzelpraxis viel Arbeit auf sie zukommen würde. Allerdings bietet es ihrer Meinung nach den Vorteil, „in die eigene Tasche“ zu arbeiten.
Während ihrer Facharztausbildung arbeitete Döbbelin in einer großen Gemeinschaftspraxis. Die Arbeit dort empfand sie „wie in einer kleinen Klinik“, weshalb sie sich eine Niederlassung in einer Gemeinschaftspraxis oder einem Medizinischen Versorgungszentrum nicht vorstellen konnte. Auch erwartet sie sich durch den Wegfall von Wochend- oder Feiertagsdiensten eine bessere Work-Life-Balance und mehr Zeit für ihre Familie.
Am Ende kommt es wie so oft auf den persönlichen Geschmack an. Sowohl Gemeinschafts- als auch EInzelpraxis bieten Vor- und Nachteile.
Dr. Jürgen Karsten, Vorstand der Steuerberater-Gruppe ETL sagt im Gespräch mit der Ärzte Zeitung zwar, dass Gemeinschaftspraxen als wirtschaftlich sichere Lösung gelten, dies aber nicht bedeutet, dass Einzelpraxen nicht ertragreich sind. Mit entsprechenden Kooperationen und Spezialisierungen hat auch die Einzelpraxis noch immer ihre Daseinsberechtigung:
„Die Einzelpraxis ist nicht tot, die isolierte Praxis hat ausgedient."
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