Anfang 2016 ging die Geschichte eines neuseeländischen Landarztes durch die Medien, der einen neuen Kollegen sucht – und trotz eines versprochenen Gehalts von über 240.000 Euro niemanden finden konnte. Dass dies keine südpazifische Anomalie darstellt, zeigt auch die aktuelle Entwicklung in Deutschland.
Junge Ärzte können schon lange nicht mehr allein mit einem hohen Gehalt in eine bestimmte Region gelockt werden. Doch was sind die Gründe dafür, dass so wenige junge Menschen auf dem Land praktizieren wollen, und wie kann man sie dennoch davon überzeugen?
Junge Allgemeinmediziner zieht es in die Städte
Zunächst einmal hat diese „Landflucht“ für Mediziner natürlich keine anderen Gründe als für viele andere junge Menschen auch: die Großstadt bietet objektiv einfach mehr. Man hat dort studiert, sich daran gewöhnt und kann nun abwägen, was einem besser gefällt. Und Menschen, die schon ihr ganzes Leben in der Stadt gewohnt haben, zieht es in der Regel erst recht nicht aufs Land. Fakt ist allerdings auch: ohne Ärzte bricht auch der Rest nach und nach weg und die Urbanisierung geht noch schneller voran – besonders in ohnehin schon Strukturschwachen Gegenden. Je ländlicher die Region, desto größer die drohenden Engpässe bei der Ärzteversorgung. Andererseits wird die Bevölkerung immer älter und damit der Bedarf an medizinischer Betreuung immer größer
Wichtig für Ärzte ist heutzutage vor allem eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit, Freizeit und Familie. In der Großstadt ist das Kultur- und Freizeitangebot einfach sehr viel reichhaltiger als in Kleinstädten, weswegen diese weniger attraktiv für junge Menschen sind.
60 Prozent aller Medizinstudierenden sind heute weiblich. Ein Großteil dieser Frauen möchte eine Familie gründen, daher sind viele angehende und fertig ausgebildete Ärztinnen auf der Suche nach Teilzeitstellen in Praxisgemeinschaften. Die in Großstädten bessere Infrastruktur bezüglich Schulen und Kitas tut da ihr übriges. Das Geld für viele Ärzte nicht mehr das Hauptargument ist zeigen auch die folgenden Zahlen: Obwohl laut Spiegel Online die Umsätze von Fachärzten in Sachsen-Anhalt 20 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegen, herrscht dort eine Unterversorgung. Berlin gilt dagegen als überversorgt, obwohl die Umsätze der dort niedergelassenen Ärzte weit unter dem liegen, was sie in Sachsen-Anhalt erwirtschaften könnten.
Oft keine Leistungsgerechte Vergütung für Allgemeinmediziner
Natürlich kann das Thema Geld aber auch nicht völlig außer Acht gelassen werden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel, dass nicht jede vom Hausarzt vorgenommene Behandlung auch von der Krankenkasse bezahlt wird. So zahlen die Kassen den Ärzten pro Quartal ein bestimmtes Budget aus, mit dem die Ärzte für die von ihnen erbrachten Leistungen vergütet werden. Ist dieses Budget nach einer bestimmten Anzahl Patienten ausgeschöpft, verliert die Leistung des Arztes an Wert. Außerdem wird das Budget pro Patient berechnet. Wird also ein und derselbe Patient mehrmals im Quartal behandelt, wird der Arzt faktisch nur einmal für diesen Patienten bezahlt. Dies kann laut einem Bericht des NDR für manche Ärzte durchaus eine Umsatzeinbuße von 30 Prozent im Quartal ausmachen.
Gerade aus diesem Grund sind viele Ärzte auch auf die von Kassenpatienten oft missgünstig angesehen Privatpatienten angewiesen. Eine solche Honorarsituation macht es für junge Ärzte zusätzlich schwer, sich für eine Praxisneugründung oder eine Übernahme zu entscheiden. Während ältere Ärzte nach Jahren und Jahrzehnten in der Regel finanzkräftig genug sind, sich diesen Zustand leisten zu können, kann eine solche Situation für junge Ärzte, die sich noch mit den Schulden aus Studium und Praxisgründung herumschlagen müssen, den finanziellen Ruin bedeuten. Wichtig ist daher auch, die Angst vor den finanziellen Risiken und dem Verwaltungsaufwand einer eigenen Praxis zu nehmen. Eine interessante Möglichkeit ist da beispielsweise das Ärztezentrum in Büsum, wo die praktizierenden Ärzte von der Gemeinde angestellt sind und sich so weder Gedanken über Patientenkontingente noch über Verwaltung machen müssen.
Weiterhin ist es für Städte und Gemeinden selbstverständlich wichtig, den Medizinern die man anlocken wil auch etwas zu bieten - eine bessere Infrasruktur oder ein breiteres Kulturangebot beispielsweise. Leider hat aber selbst in der heutigen Zeit noch längst nicht jeder Bürgermeister oder Statdrat erkannt, dass die Stadt oder Region attraktiv für die Ärzte sein muss, nicht umgekehrt. Nicht nur in Deutschland sondern in ganz Europa gibt es ist die Nachfrage nach Ärzten viel höher als die Zahl der Ärzte, die sich tatsächlich niederlassen möchten. Junge Ärzte sind dadurch heutzutage in der Situation, dass sie in der Regel freie Entscheidungsmöglichkeiten darüber haben, wo sie mal praktizieren wollen - und die Konkurrenz zur Praxis auf dem Land ist ziemlich groß.
Als Vorteilhaft sehen viele Studierende, dass man als Allgemeinmediziner auf dem Land eine besonders persönliche Beziehung zu den Patienten hat und sich so viel intensiver um sie kümmern kann. Als Hausarzt ist man so auch eine Bezugsperson, der die Patienten vertrauen und die sie begleitet.
Frühzeitig die Arbeit des Landarztes kennenlernen
Die Arbeit als Landarzt ist laut Berufsmonitoring Medizinstudenten 2014 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung trotzdem besonders für diejenigen interessant, die selbst auf dem Land aufgewachsen sind. Dieser „Heimateffekt“ besagt, dass viele junge Menschen nach Ende ihres Studiums in der Region oder dem Bundesland arbeiten möchten, aus dem Sie ursprünglich kommen. Dieser Effekt macht es für dünnbesiedelte Regionen, aus denen dementsprechend wenig Studierende kommen, natürlich doppelt schwer Nachwuchs zu finden. Für solche Regionen mit hohem Nachwuchsbedarf sind daher langfristig angelegte Initiativen zur Förderung von Medizinstudierenden auf dem Land besonders sinnvoll. Erfahrungen aus großen Flächenländern wie USA oder Australien zeigen, dass Studierende, die die Chance hatten, die Arbeit auf dem Land kennezulernen, sich eher für eine Tätigkeit im ländlichen Raum interessieren als die, die eine solche Erfahrung nicht gemacht haben.
Das sieht auch einer der im Berufsmonitoring befragten Studierenden so:
"Ich finde, dass man die Tätigkeit des Landarztes viel früher im Studium als eine Art Praktikum z.B. eine Woche lang mal richtig kennenlernen sollte. Ich bin mit dem Beruf groß geworden, und weiß, was es für eine Familie bedeutet, wenn der Vater Landarzt ist. Ich weiß aber auch, wie viel Gutes man damit bewirken kann und wie dankbar die Patienten sind, wenn man sich um sie kümmert. Das wiederum erfüllt einen. Viele meiner Kommilitonen wissen das jedoch nicht und haben das Bild eines Arztes im Kopf, der sich primär um laufende Nasen und depressive Muttis kümmert. Da sollte auf jeden Fall was schon in der Ausbildung geändert werden, sonst wird keiner mehr Landarzt.“
Ein wichtiger Baustein zur Förderung de Landarztnachwuchses scheint daher zu sein, die Allgemeinmedizin schon in Studium, Praxisjahr sowie der Weiterbildung sichtbarer zu machen. Die momentane medizinische Ausbildung schafft nur wenige Möglichkeiten, den Landarztberuf und das Leben auf dem Land kennen zu lernen. Studenten aus der Stadt haben kaum Gelegenheit, Erfahrungen auf dem Land zu sammeln - die Entscheidung für den Landarztberuf ist folglich mit vielen Ungewissheiten und Risiken verbunden. Praktika und Erfahrungen durch Projekte wie Land.In.Sicht oder die Klasse Allgemeinmedizin sind dabei erste Maßnahmen, dem entgegenzuwirken.
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