Zusammenfassung
Deutschland braucht mehr Ärzte denn je. In den nächsten Jahren wird eine geburtenstarke Generation in Rente gehen und wenig Nachwuchs ist in Sicht. Gerade hausärztliche Praxen klagen jetzt schon über Bewerbermangel.
Doch schaut man an die Universitäten, so sind diese überfüllt und mehr als doppelt so viel Interessenten warten vor den Toren der Universitäten.
Wie kommt diese ambivalente Situation zustande?
Der Weg zum Retter im weißen Kittel ist in den letzten Jahren härter denn je. Selbst mit einer Abiturnote von 1,0 ist die Hürde noch lange nicht geschafft.
Denn ein 1,0 Abitur bedeutet leider nicht automatisch, dass ein Anspruch auf einen Studienplatz besteht, nur weil der Numerus Clausus erfüllt ist.
Die Anzahl der Bewerber ist zum einen deutlich gestiegen. So haben sich im Jahr 1994/95 noch 15.753 Bewerber auf 7.366 Plätze beworben - dementsprechend waren die Chancen nicht so schlecht, wie sie es im Wintersemester 2014/15 waren. Hier bewarben sich fast 43.000 Studierende auf nur 9.001 Plätze in der Humanmedizin.
Zum anderen resultiert daraus, dass nicht jeder Abiturient mit einem 1,0 Abitur einen Studienplatz bekommt. Es gibt „schlechte“ 1,0 Abschlüsse und „gute“ 1,0 Abschlüsse. Nicht mehr die Gesamtnote ist von Belangen, sondern auch die konkrete Punktevergabe in verschiedenen Fächern.
Dies wiederum wirft die Frage auf, ob das Abitur in den unterschiedlichen Bundesländern überhaupt vergleichbar ist. Im Jahr 2015 absolvierte ein durchschnittlicher Schüler in Nordrhein-Westfalen ein Abitur von 2,41, in Thüringen hingegen lag die durchschnittliche Abiturnote bei 2,18.
Auch konnte immer noch nicht statistisch bewiesen werden, ob ein gutes Abitur überhaupt einen guten Mediziner ausmacht. Lediglich konnte nachgewiesen werden, dass bei sehr guten Abiturienten der Studienabschluss erfolgreicher ist.

Zwischen Wartezeit und Hoffnung
Viele Abiturienten werden somit trotz gutem Abitur abgelehnt. Für sie startet ein langer Weg, voller Wartezeit und Hoffnung. Viele geben schon hier ihren Traum auf und entscheiden sich für ein anderes Studium, bei dem der Weg einen Studienplatz zu bekommen, einfacher ist. Doch die Mehrzahl bewirbt sich jedes Jahr und muss eine Alternative finden, die Wartezeit zu überbrücken. Denn anstatt an einer Universität Biologie, Chemie oder ähnliche Naturwissenschaften zu studieren, um sich Leistungen anrechnen zu können, dürfen Abiturienten nicht an einer Hochschule immatrikuliert sein, da sie sonst keine Wartesemester sammeln.
Daraus folgen mehrere Möglichkeiten. Viele wählen den Weg der Wartesemester und bilden sich in dieser Zeit anders weiter. In jährlichen Abständen wird eine Bewerbung an das Portal „hochschulstart.de“ geschickt, worüber die Vergabe der Studienplätze stattfindet.
Den Abiturienten stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Wenn sie nur wenige Semester benötigen, reicht bereits ein freiwilliges soziales Jahr. Die meisten allerdings bewerben sich auf einen Ausbildungsplatz in der Fachrichtung. Die Auswahl ist hier groß: Altenpflege, Ergotherapie oder Rettungsassistenz sind nur einige der vielen Möglichkeiten.
Aktuell beträgt laut „hochschulstart.de“ die Wartezeit für Humanmedizin 15 Wartesemester (7,5 Jahre). Vergleichsweise lag der Wert 1999 noch bei vier Semestern (2 Jahre).
Um die Chancen auf einen Platz weiter zu erhöhen, kann auch der „TMS“ (Test für medizinische Studiengänge) absolviert werden. Dies ist ein Test, der extra für angehende Mediziner konzipiert ist und soll den Absolventen ebenfalls den Zugang erleichtern. In dem Test werden Fähigkeiten überprüft, durch die sich die Eignung eines Bewerbers feststellen lässt, ob er das Studium der Medizin erfolgreich absolvieren kann. Dieser Test überprüft allerdings nicht, ob ein Teilnehmer nach dem Studium ein guter Arzt wird.
Universitäten entscheiden im hochschuleigenen Verfahren nicht nur nach der Abiturnote, sondern ziehen auch die Ergebnisse des Medizinertests hinzu, wenn dieser vom Bewerber absolviert worden ist.
Der andere Weg, der ungeduldigen Abiturienten zur Wahl steht, ist der Weg ins Ausland. So sind vor allem die Nachbarländer Belgien, Tschechien, Österreich und die Niederlande interessant. Aber auch in Ungarn und Rumänien wird ein starkes Wachstum von Studierenden aus Deutschland verzeichnet.
Die Klage als letzte Möglichkeit
Doch was ist, wenn sowohl die Möglichkeit zu warten, als auch ins Ausland zu gehen, nicht in Frage kommen? Ist der Traum vom Medizinstudium dann geplatzt?
Mit einem tiefen Griff in den Geldbeutel kann mit der Berufung auf den 12. Artikel des Grundgesetztes das Recht auf einen Studienplatz eingeklagt werden.
Artikel 12
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.
Die Erfolgsaussichten sind allerdings ungewiss. Eine Klage in das erste Fachsemester ist weitaus schwieriger, als die Klage in ein höheres Fachsemester.
Durch die Klage werden Kosten von mehreren tausend Euro fällig, denn die Aussichten auf Erfolg steigen, wenn an mehreren Universitäten geklagt wird. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch höhere Kosten, die leider nur selten von Rechtsschutzversicherungen gedeckt werden. Folglich muss der Studierende die Summe selber aufbringen, entweder durch einen Kredit oder indem seine Eltern ihm unter die Arme greifen. Letztendlich befinden sich die Kosten nur für den Studienplatz in Höhen, die den Wert eines Kleinwagens nicht selten übersteigen.
Aber selbst wenn die Universität Studienplätze freigegeben hat, dann kann es immer noch am Losverfahren scheitern. Die freien Plätze werden unter allen Klägern verlost.
Studienplatzklagen sind in den Fachrichtungen Humanmedizin, Veterinärmedizin, Zahnmedizin, Pharmazie und auch Psychologie gängig. In Deutschland haben sich bereits schon ganze Anwaltskanzleien darauf spezialisiert. Jedoch wie hoch die Erfolgschancen sind, ist nirgendwo statistisch erfasst, denn auch die Hochschulen schweigen darüber.
Der aktuelle Stand
Doch dies kann kein Dauerzustand bleiben. Erneut verhandelt aktuell das Bundesverfassungsgericht darüber, ob die Studienplatzvergabe nach Abiturnote verfassungswidrig ist. Und nicht nur das, zusätzlich wird auch darüber geurteilt, ob nicht auch der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt wird.
Es ist allerdings fragwürdig, ob auch der Ausbau des Studienplatzangebots verlangt wird. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen die Auswahlverfahren der Hochschulen.
Das letzte Urteil ist mittlerweile 45 Jahre her, damals ging das Zulassungsverfahrens des Numerus Clausus gerade noch als zulässig durch.
Schon Anfang 2018 wird das neue Urteil erwartet. Bis dahin müssen viele Studieninteressierte zittern.
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